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Lachflash & eine mündliche Prüfung

Am meisten Sorgen bereitet den Teilnehmern unserer Vorbereitungskurse zur MSA-Nichtschülerprüfung (das ist der offizielle Begriff, wenn man den MSA nachholen will) ihre Angst vor den mündlichen Prüfungen. Sie haben das Gefühl, in eine unbekannte Situation zu stolpern und darin völlig machtlos zu sein. Also haben wir uns überlegt, eine solche Prüfung mal den Klassen vorzuspielen. Meine Kollegin und Tochter übernahm die Rolle des Prüflings, ich die des Prüfers. Meine Rolle war gleichbleibend, ihre sollte sich ändern:

  1. Szene: Eine normale mündliche Prüfung mit ihr als liebem, etwas, unsicheren Prüfling, der in seinem Wahlthema zuhause ist und das andere, unbekannte Thema aus Bio Sek I nicht so gut drauf hat.
  2. Szene: Eine normale mündliche Prüfung, in der sie einen unsicheren Prüfling mimt, der seine Unsicherheit mit Arroganz und blöden Kommentaren überspielt.

In beiden Fällen ist der Gang der Prüfung durch den Prüfling bestimmt, nicht durch den Prüfer, denn der ist Profi und bleibt in seinen Anforderungen an alle gleich. Schlussendlich bestimmt der Prüfling die Mündliche maßgeblich. Wir wollten den Teilnehmern ihre Macht zeigen und ihnen damit wenigstens ein wenig das Gefühl nehmen, machtlos ausgeliefert zu sein. Und ihnen zeigen, dass es nicht das Prüfungsergebnis beeinflusst, seine Unsicherheit zu zeigen. Soviel zu der Idee, es ging nun an die Umsetzung vor der Klasse. 

 

In der ersten Klasse, in der wir diese kleinen Stückchen vorgespielt haben, war die Reaktion wie erwartet: Die Teilnehmer haben es direkt gesehen und es hat sie beruhigt zu wissen, dass sie eben nicht so machtlos sind wie sie meinten. 

In der zweiten Klasse (hier hatten wir 2 Kurse zusammengefasst, da der Raum größer war) sitzt eine Teilnehmerin, die sehr freundlich und fleißig und mit einer schnellen Auffassungsgabe gesegnet ist. Sie hat 2 für sie sehr charakteristische Merkmale:

  1. Sie kann es kaum ertragen, wenn jemand sich mit der Antwort auf eine Frage Zeit lässt. Dann sitzt sie wie auf glühenden Kohlen, will, dass der andere endlich, endlich antwortet und prustet die Antwort raus, wenn sie immer noch nicht gekommen ist und man sie lässt. 
  2. Sie sieht ziemlich böse aus, wenn sie sich konzentriert. Anfangs hat man als Dozent ein wenig Angst bekommen, weil sie einen richtig niederstarren kann, während man etwas erklärt. Ich selbst kenne das, man sagt mir nach, ich würde genauso aussehen, wenn ich mich konzentriere. Trotzdem ist es merkwürdig, so angestarrt zu werden. Es stellte sich aber schnell heraus, dass sie sich nur konzentriert und aufmerksam zuhört. 

Nun saß sie also in dieser Klasse, ganz vorn, quasi direkt an der Bühne. Wir spielten die erste Szene, die Antworten kamen etwas zögerlich, aber sie kamen. Die Teilnehmerin war genau in meinem Blickfeld. Sie riss zwischendrin die Augen auf, wenn sich meine Tochter zu lange Zeit ließ. Man merkte, dass sie die Antwort gleich selbst herausbringen würde. Es ging aber gut, sie hatte sich im Griff. Viel schlimmer wurde es beim 2. Durchgang, als meine Tochter den arrogant-unsicheren Typen spielte. Sie ließ sich so viel Zeit mit der Antwort, dass die Teilnehmerin anfing zu zittern und irgendwann, mitten in der Prüfung passierte es: Sie fing an zu lachen. Und lachte und lachte und lachte und konnte nicht mehr aufhören. Sie versuchte, das leise zu tun und die Tränen liefen in Strömen. Hast du, lieber Leser, schon einmal versucht, aus vollem Hals leise zu lachen? Es geht nicht. Sie musste raus aus dem Raum. Von draußen hörten wir sie, weil sie lauthals loslachte. Wir spielten weiter, aber alle mussten nun lachen, ließen sich voll mitreißen. Auch wir. Es war vorbei.

 

Als sich alle wieder beruhigt hatten, stellten sie fest, dass sie vor lauter Anspannung gelacht haben. In der 2. Szene mit dem arroganten Prüfling haben sie sich so unwohl gefühlt, dass sie ihre Gefühlswelt durch eine Übersprungshandlung entladen mussten.

 

Die Macht eines Prüflings, den Prüfungsverlauf zu bestimmen, ist enorm groß. Und Arroganz hilft nicht, Unsicherheiten zu überspielen.

 

Das war die Take-Away-Message des Tages.